Rezension | Magere Jahre | Nicole Knörr

Mit 13 Jahren beginnt Nicole Knörr, immer weniger zu essen. Sind es zunächst immer dünner werdende Brotkrumen oder einzelne Löffel Joghurt, nimmt sie mit Fortschreiten ihrer Magersucht täglich nur noch 300 ml fettfreie Bouillon zu sich. Damit kann man nicht überleben. Als ihre Körpertemperatur auf unter 34 Grad sinkt und sie nichts mehr spürt als innere Knochenkälte, wird sie notfallmäßig in eine Klinik eingeliefert. Ein Tag später hätte zu spät sein können. Doch die heute Zwanzigjährige ist eine Kämpferin. Sie überwindet ihre Krankheit und mehrere Rückschläge und will heute Psychiaterin werden, um anderen Betroffenen zu helfen. In unter die Haut gehenden Szenen und Erzählpassagen vermittelt sie dem Leser, was im Kopf einer Magersüchtigen vor sich geht und warum es so schwer ist, “einfach wieder zu essen”. Die Psychologin Sylke Aust ergänzt die Texte mit fundierten Expertentipps für Betroffene und Angehörige

Die Kappbroschüre zeigt die Autorin selbst und der Titel macht deutlich, um was es sich hier handelt. Im Inneren entdeckte ich Fotos von Nicole Knörr, die ich erschreckend und gleichzeitig mutig empfand, dass sie diese offen zeigt.
Das Papier ist fest und hochwertig. Leider ist der Buchrücken Leserillen anfällig, was ich schade finde.

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Schwach lächelnd mühe ich mich damit ab, die kleine, gläserne Schale mit Melonenschnitzen über den Tisch zu meiner Mutter zu schieben, was mich mit meinen zerknitternden, knochigen Fingern ungeheuer viel Kraft kostet.

Auf “Magere Jahre” von Nicole Knörr bin ich durch eine Empfehlung gestoßen und war gespannt, auf die biografische Geschichte der Schriftstellerin. Leider habe ich mehr von dem Buch erwartet, als wie ich vorgefunden hatte.

Nicole Knörr ist 13 Jahre alt, als bei ihr die Essstörung “Magersucht” diagnostiziert wird. Zu diesem Zeitpunkt ist ihr BMI in einem lebensbedrohlichen Bereich gerutscht, als endlich die Familie und Ärzte reagieren und sie in eine Klinik einweisen.
Doch auch wenn es aussieht, als wäre Nicole auf dem richtigen Weg, schlägt die Krankheit immer wieder zu und sie rutscht weiter in die Bulimie und Chew and Spit Störung. Wie sie aus dem Teufelskreis entkommen ist, und Tag für Tag aufs Neue ankämpft, erzählt sie in ihrer Geschichte.

Der Schreibstil von Nicole Knörr ist flüssig zu lesen und in der Ich-Perspektive geschrieben. Sie berichtet hautnah über ihre Essstörungen von Beginn an bis heute. Dabei lernte ich sie, als eine zielstrebige Persönlichkeit kennen, aber auch, wie sie sich selbst und ihre Familie und Freunde belügt. Sie macht sich vieles vor, und redet sich alles schön und alle glauben ihr gesagtes Wort oder Handeln – das hat mich unheimlich wütend gemacht.

Ihre Mutter und Schwester handelten für mich unbegreiflich. Ich konnte es nicht verstehen, wie sie ihrer Tochter/Schwester nicht helfen konnten. Sie haben zugesehen, wie sie “verhungert” oder als sie um Hilfe bat, reagierten sie nicht. Selbst die Ärzte und Lehrer, haben anfangs nicht gehandelt, obwohl jeder wusste, dass die krank ist.
Das Nachwort von Nicole Knörr konnte mich ein wenig im Bezug auf ihre Mutter besänftigen, doch trotz alledem blieb die Wut in mir, bei dem Gedanken, dass die Mutter “hilflos” zugesehen hat. Die Mutter hatte es durch die Scheidung nicht einfach, doch ich fand, dass es schlicht und einfach eine Ausrede war, um den eigenen Fehler nicht zugeben zu müssen.

Immer wieder hatte ich das Gefühl das Gleiche zu lesen. Manche Situationen oder Gedankengänge wurden einfach zu oft angesprochen und durchgekaut. Dadurch las es sich langatmig, obwohl mich die Thematik interessierte. Neue Informationen oder Fakten hätten mich mehr gefesselt.

Im Innenteil sind hochwertige Fotografien von Nicole Knörr abgebildet, wie sie zur schlimmsten Zeit ausgesehen hat und nach ihrer Zunahme. Ich fand das mutig von ihr.
Obwohl das Buch in der Aufmachung hochwertig ist, fand ich einige Fehler im Text. Hier wurde wohl am Lektorat/Korrektorat gespart. Bei dem Buchpreis hätte ich das erwartet.
Am Ende des Buches gibt es noch Tipps und Erklärungen zur Erkrankung von der Psychotherapeutin Sylke Aust.

Ich wünsche mir für Nicole, dass sie ihren Weg weiterhin zielstrebig angeht und sich ihren Berufswunsch erfüllen kann. Sie hat einen schweren Weg bezwungen und immer noch vor sich und ich ziehe meinen Hut, dass sie so mutig und stark ist.

In “Magere Jahre” berichtet die Schriftstellerin Nicole Knörr über ihre Essstörung und ihrem Kampf aus dem Teufelskreis zu entkommen. Leider habe ich mehr von der Erzählung erwartet, als wie ich schlussendlich gefunden habe. ~ langatmig ~ schockierende Umstände ~ hochwertige Ausgabe, jedoch ohne Lektorat/Korrektorat.

Ich selbst bin mein größter Feind. Niemand kann mir so sehr schaden, mich so tief in die Knie zwingen und mir so viel abverlangen wie ich mir selbst. (Seite 12)

Ich hätte mir gewünscht, dass meine Mutter und meine Schwester so wie meine Tante reagiert hätten. Aber meine Familie begriff mein Problem nicht. (Seite 139)

Sie entschuldigte ihr Nicht-Mithelfen bei meinen Rückfällen damit, keine kraft mehr gehabt zu haben. Auch wenn später noch Spuren meiner Krankheit sichtbar wurden, beklagte sie sich, meine Essprobleme mehr als nur satt zu haben. (Seite 156)


 

© privat

NICOLE KNÖRR, 20 Jahre alt, lebt in Leibstadt in der Schweiz. Ihr Wunsch ist es, Medizin zu studieren und Psychiaterin zu werden.

 

 


© 2018 www.katisbuecherwelt.de
© Klappentext/Quelle: amazon.de;
© Autorenbild: siehe Angaben;
© Cover: Patmos Verlag;
*dieser Beitrag enthält Affiliate Links
*dieser Beitrag wurde bearbeitet mit Papyrus Author 9

 

2 Comments

  1. karin

    16. Juli 2018 at 16:40

    Hallo und guten Tag,

    also ich persönlich kann nicht ganz verstehen/begreifen wie man heute in unserer, doch so aufgeklärten Zeit in die Falle “Magersucht und ihre Folgen ” geraten kann und das Umfeld merkt nichts und hilft nicht in irgendeiner Weise
    …auch glaube ich nicht, dass eine Scheidung hier ein Nichthelfen rechtfertigt …solche Aussagen erschüttern mich und machen mich sprachlos..weil es Egoismus pur ist hier…könnte ich nie dazu bin ich wohl zu sehr Familienmensch……
    LG..Karin..

    1. kati

      17. Juli 2018 at 22:56

      Hallo Karin,
      ich kann es schon irgendwo verstehen, dass es immer wieder passiert. Meistens spielen psychische Faktoren eine große Rolle oder Probleme, die einen Menschen in die Essstörung zwingen. Es beginnt schleichend und derjenige bekommt es anfangs gar nicht mit oder verdrängt es.
      Ich glaube auch, dass es viel mehr Menschen betrifft, als wie die Statistiken zeigen. ich selbst beschäftige mich zur Zeit viel mit der Ernährung, durch meine eigene OP und bekomme in den Gruppen einiges mit.
      Klar denkt man, wie kann das passieren, wo man doch weiß was dahintersteckt und man denkt, die Menschen seien gut aufgeklärt. Aber Aufklärung allein hilft leider nicht, um das zu unterbinden.
      Ich bin aber Deiner Meinung, was die familiäre Situation angeht. Ich war sehr schockiert was ich da las und konnte es einfach nicht verstehen. Klar die Angehörigen sind in einer solchen Situation überfordert und merken manchmal nicht was abgeht, weil die Person mit der Essstörung ein guter Schauspieler ist. Aber wenn ich um Hilfe gebeten werde, warum verschließt man sich und reagiert nicht? Ich denke, dass die Familie sich da im nachhinein schon Gedanken macht und vielleicht auch Vorwürfe. Wir sind alles nur Menschen und machen Fehler.
      Ich hoffe einfach nur, dass Nicole Knörr ihren gesunden Weg gehen wird und nie wieder in diese Erkrankung abrutscht und sie nun den Halt und die Kraft in der Familie findet, den sie braucht.
      Liebe Grüße
      Kati

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