REZENSION | Hätt`ich ein Kind | Lea Streisand
»Sie werden keine Kinder bekommen.«
Dieser Satz stellt Kathis Leben auf den Kopf. Sie ist Mitte dreißig, promoviert über Grimms Märchen und lebt mit ihrem Freund in einer kleinen Wohnung in Berlin. Keine Kinder zu haben, war nie eine Option. Als ihre beste Freundin Effi schwanger wird, ausgerechnet ihre Effi, ihre zuverlässigste Verbündete, stellt Kathi sich der Wahrheit – und einen Adoptionsantrag.
Die beiden Freundinnen tragen sich gegenseitig durch die folgenden Monate, lachen, auch wenn es manchmal zum Heulen ist, und werden zu Müttern.
Jede auf ihre Art.
Die Gestaltung ist clean gehalten in einem einfarbigen Blauton, und einem auffällig gestalteten Titelschriftzug. Auf den Buchstaben klettert ein kleiner Junge empor. Eine Darstellung, die mich auf jeden Fall neugierig auf die Geschichte gemacht hatte und den Inhalt widerspiegelt. Außerdem wurde hier sehr viel Wert auf die Materialien des Buches gelegt. Die Seiten wurden aus festem und hochwertigen Papier gefertigt und die Seiten fühlten sich beim Blättern angenehm an.
ISBN: 9783550201653
Seitenzahl: 220
Erschienen: 10.03.2022
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“Sie werden keine Kinder bekommen.”
In “Hätt ich ein Kind” erzählt die Kolumnistin und Schriftstellerin Lea Streisand die Geschichte eines Pärchens, die über einen steinigen Weg führend zum Wunschkind finden. Ich selbst habe mich eine lange Zeit mit diesem Thema befasst und war gespannt, wie Kathi und David diesen Weg gemeinsam bestreiten würden.
Kathi wünscht sich sehnlichst ein Kind, doch nach zahlreichen Versuchen erhält sie die Diagnose der frühzeitigen Wechseljahre und somit ist sie unfruchtbar. Sie wird keine Kinder austragen/empfangen können. Ein Schock für Kathi und David. Doch für sie war sofort klar – dann wird eben adoptiert. Eine endlos lange Zeit des Wartens, geprägt von zahlreich auszufüllenden Anträgen, beginnt. Sie will nicht aufgeben und für ihren Wunsch kämpfen.
Zeitgleich wird ihre beste Freundin Effi schwanger, erleidet eine Fehlgeburt und wird anschließend erneut schwanger. Kathi freut sich sehr darüber, fühlt sich dennoch unter Druck gesetzt, jetzt unbedingt ein Adoptivkind zu bekommen. Sie möchte schließlich, dass das Kind von Effi mit ihrem Kind zusammen aufwächst. Die Angst, die Freundschaft zu verlieren, wenn Kathi kinderlos bleibt, nagt an ihr.
Und ganz nebenbei schreibt sie noch an ihrer Doktorarbeit, die sie unbedingt noch vor dem Elterndasein fertiggestellt haben möchte. Ob ihr das alles gelingt? …
Der Schreibstil von Lea Streisand war flüssig zu lesen und ich bekam das Gefühl, als würde mir die Protagonistin Kathi höchst persönlich ihre Geschichte erzählen. Schnell konnte ich mich in die Erzählung einfinden und hineinfühlen. Dabei entdeckte ich einige Parallelen zu Gedankengängen, die ich selbst einmal hatte, als das Thema Kinderwunsch für mich ein unerfüllter Traum war, leider aber auch dabei geblieben ist.
Die Protagonistin Kathi ist mir sehr ans Herz gewachsen und ihre Art sich über sich selbst lustig zu machen, fand ich erfrischend und lenkte ein klein wenig von dem Gefühlschaos ab, was das Paar durchleben musste. Eine Adoption ist nicht mal eben hinter sich gebracht, sondern ist ein langwieriger und harter Prozess, der hier sehr gut beschrieben und vermittelt wurde. Jeder der diesen Weg einschlagen möchte, bekommt durch diese Story einen kleinen Einblick, wie es ablaufen kann. Die Fragestellungen, die die Autorin mit auf dem Weg gab, wie z.B. “Kann ich eine gute Mutter sein?”, “Kann ich das Kind wie mein eigenes lieben?” oder “Was macht eine Familie für mich aus?” waren interessante Denkanstöße und hilfreich, um eigene Selbstzweifel niederzulegen.
Kathi und David haben sich zur Adoption entschieden und einen langen bürokratischen Weg eingeschlagen. Interessant fand ich die Darstellung der Sachbearbeiterin beim Adoptionsamt, die zwar freundlich und hilfsbereit schien, aber das Pärchen immer wieder vertröstete, es sei noch kein passendes Adoptivkind gefunden. Nach monatelangen Warten und der Schwangerschaft von Effi, fasst Kathi den Entschluss, noch intensiver beim Amt nachzuhacken und fordert eine neue Sachbearbeiterin an. Überrascht war ich nicht, dass mit einer neuen Sachbearbeiterin auf einmal das Adoptionsverfahren weiter vorangeht. Dennoch finde ich es fragwürdig (an die Adoptionsämter), “Warum muss ein Paar, was ein Kind adoptieren und Liebe schenken möchte, einen zweiten Antrag stellen und das gesamte Adoptionsverfahren neu durchlaufen, wenn dies doch bereits geschehen ist?”. Warum diese doppelte Antragstellung? Warum können die Sachbearbeiter nicht zusammen als Team arbeiten und bereits gesammelte Informationen über die Familien weitergeben? Ein System, was ich nicht verstehen kann und eine Qual für die Familien, die sich nichts sehnlicher wünschen, als ein Kind aufzuziehen.
Gebannt habe ich den Weg von Kathi und David verfolgt und auch den Weg von Effi, die auf natürliche Weise die Schwangerschaft erlebt hat. Die beiden Frauen hielten zusammen, egal was kommen sollte, und das fand ich großartig. Die Geschichte berichtet über zwei verschiedene Wege, eine Familie zu gründen und das schonungslos ehrlich und authentisch ohne irgendwelchen Beschönigungen. Am Ende zählt jedoch, egal wie hart und steinig der Weg war, es lohnt sich niemals aufzugeben! Und genau das wird in dieser Erzählung deutlich gemacht.
Abgelenkt haben mich die Passagen, in denen es um die Doktorarbeit von Kathi ging, in der sie Ableitungen der Märchen Gebrüder Grimm zur Mutterschaft webte. Anfänglich fand ich diese Informationen interessant, doch je intensiver sich die Autorin mit der Thematik befasste, blieb die Haupthandlung, die mich am meisten interessierte, auf der Strecke stehen. Ich empfand diese Abschnitte mit der Zeit zäh und langweilig, und musste mich teilweise zwingen, diese nicht zu überfliegen. Auf diese Abschnitte hätte ich gern verzichtet und mehr über Davids Gefühle und Gedanken während des gesamten Adoptionsverfahrens erfahren. Im Hauptfokus stand hier überwiegend Kathi.
“Hätt`ich ein Kind” von Lea Streisand erzählt die Geschichte eines Pärchens, die keine Kinder auf natürlichem Wege bekommen können und den zähen bürokratischen Adoptionsverfahren durchlaufen, um ihr Wunschkind in den Armen zu halten.
~ authentisch und emotional ~ informativ und aufbauend ~ leider mit einem zähen und langweiligen Nebenplot, über die These der Gebrüder Grimm Märchen und deren Mutterschaften
Lea Streisand, geboren 1979 in Berlin, studierte Neuere deutsche Literatur und Skandinavistik. Sie schreibt Kolumnen für die taz und hat eine wöchentliche Hörkolumne auf Radio Eins.
Ihre Romane erscheinen bei Ullstein: “Im Sommer wieder Fahrrad” im Herbst 2016, es folgten „Hufeland, Ecke Bötzow“ (2019) und „Hätt‘ ich ein Kind“ (2022). Außerdem sind Streisands Radiokolumnen im Ullstein Taschenbuch lieferbar: “War schön jewesen. Geschichten aus der großen Stadt.”
© 2022 www.katisbuecherwelt.de
© Klappentext/Quelle: amazon.de;
© Autorenbild: siehe Angaben;
© Cover: ullstein Buchverlag;
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